„Viele finden, der Damm habe offiziell keinen Namen und könne deswegen nicht umbenannt werden. Die Quellen sagen aber, dass er bei seiner Eröffnung vom Reichsbahnchef getauft wurde. Als müsste der Chef der Deutschen Bahn in auch umtaufen können.“
Im Februar 2019 wurde ich als kulturpolitischer Sprecher der SPD-Landtagsfraktion gefragt, wie ich zu einer Umbenennung des Hindenburgdammes stünde, der Sylt mit dem Festland verbindet. Hintergrund waren Umbenennungen einer Straße in Kiel (2014) und eines Platzes in Lübeck (2018/19). Meine Antwort war, dass ich entsprechende Initiativen der Menschen vor Ort unterstützen würde. Mein Argument in Kürze: Namensgebungen und Ehrenbürgerschaften sollen Menschen ehren und nicht an ihre Untaten erinnern. Hindenburg war ein Wegbereiter des NS-Regimes. Man darf darüber streiten, ob man ihn noch ehren möchte. Es folgte eine bundesweite Berichterstattung, Bild und Spiegel berichteten, tausende Menschen äußerten sich in den sozialen Netzwerken, allein den Facebook-Beitrag von tagesschau.de kommentierten mehr als 1.500 Menschen.
Die Kommentare waren durchaus vielschichtig. Es gab Widerspruch, Unterstützung und auch viel Humor. Einige Reaktionen habe ich hier zusammengetragen.
4. Widerspruch
Natürlich gibt es Argumente gegen eine Umbenennung. Während bei „Hitlerplatz“ oder „Goebbelsstraße“ nicht ernsthaft diskutiert werden kann, verhält es sich bei Hindenburg anders. Dieser war immerhin einmal demokratisch gewählter Reichspräsident. Und ja, sogar die SPD hatte ihn schlussendlich unterstützt, um einen Sieg von Hitler im zweiten Wahlgang der Reichspräsidentenwahl von 1932 zu verhindern. Viele Hinweise erreichten mich zu anderen Namen, über die dann auch diskutiert werden müsse. Martin Luther war Antisemit, Thyssen und Krupp haben vom NS-System profitiert, Heinrich Carl von Schimmelmann war Sklavenhändler usw. Überhaupt, schrieb Jan Messow auf Facebook, sei der Name doch die ganzen Jahre gut gewesen, und nun nicht mehr? Auch das Wort „Geschichtsklitterung“ fiel häufiger. Man dürfe Namen nicht aus der Geschichte löschen wollen.
Viele finden, der Damm habe offiziell keinen Namen und könne deswegen nicht umbenannt werden. Die Quellen sagen aber, dass er bei seiner Eröffnung vom Reichsbahnchef getauft wurde. Als müsste der Chef der Deutschen Bahn in auch umtaufen können.
Eine andere Art von Widerspruch arbeitete weniger mit Argumenten und mehr mit Kraftausdrücken. Am ehesten zitierfähig ein Twitter-Beitrag von Shawn Stein: „In Diktaturen ist es üblich, dass alle Zeichen der Vergangenheit, die den Herrschenden nicht gefallen, getilgt werden.“ Mir schien, vor allem Anhänger der AfD neigen Sozialdemokraten gegenüber zu drastischer Wortwahl.
5. Unterstützung
Viele Nutzer auf Facebook und Twitter erinnerten an andere Umbenennungen, z.B. in Münster, Kiel und Lübeck, oder forderten diese auch für ihre Heimatstädte, z.B. in Pinneberg. Wenn etwas nicht mehr zeitgemäß sei, müsse man darüber sprechen dürfen. Auch bei Namen müsse man sich nicht zufrieden geben mit dem, was ist. Stella Müller-Rößler zitierte Georg Danzer: „Das Wesen der Zeit ist Veränderung. Wer die Veränderung nicht will, der will auch nicht das Leben.“
Vielen finden die Diskussion nachvollziehbar, halten aber andere Probleme für dringender (dazu Teil 1, siehe ganz unten). Andere entgegnen, dass mehr als 80 Millionen Menschen auch mehr als ein Thema gleichzeitig behandeln können.
6. Humor
#Hindibleibt, in Anlehnung an den Hambacher Forst (#Hambibleibt) fand ich auf den ersten Blick witzig. Dass dieser verniedlichende Slogan aber ausgerechnet von Vielen genutzt wurde, die eines „verdienten Feldherrn“ gedenken wollten, passt dann auch nicht so richtig. Christian Langewische regt an, Herrn Gosch als Namenssponsor anzufragen. Ben Plank versucht, zusammenzuführen: „Das ist die Marschbahn. Wie wäre Marschbahndamm? Ein Kompromiss, um musikalische Vorlieben vieler Hindenburgfans zu berücksichtigen.“ Am besten gefallen hat mir der Benennungsvorschlag des Facebook-Nutzers Horst Udo, der als neuen Namen vorschlug: Weine-nicht-wenn-der-Regen-fällt-dam-Damm.